Toiletten-Ärger in Travemünde


Öffentliche Toiletten ab 22 Uhr geschlossen
Diese Erfahrung machte Jennifer Drzewiecki aus Lübeck vor wenigen Tagen. Die 37-Jährige wandte sich an die LN und schilderte ihr Erlebnis. Sie sei an einem warmen Frühsommerabend nach Besuch bei Freunden mit ihrem Ehemann Artur (41) noch auf einer Stippvisite in Travemünde gewesen. „Ich bin in der 39. Schwangerschaftswoche, und mein Kleines drückte mir sehr nett auf die Blase.“ Geparkt hätten sie am Alten Leuchtturm, dort, wo auch öffentliche Toiletten sind. „Es war 22.01 Uhr, und die Toiletten waren verschlossen. Also bin ich mit meiner vollen Blase zur Muschel am Brügmanngarten gegangen.“ Doch auch dort seien die WCs bereits geschlossen gewesen. Einen Hinweis auf die Öffnungszeiten habe es weder bei der einen noch bei der anderen Toilette gegeben. „So, da stehen Sie nun als Hochschwangere, haben Schmerzen und müssen dringend Pipi machen. Aber alle öffentlichen Toiletten im Umkreis sind verschlossen. Welche Möglichkeit gibt es dort, um nicht Wildpinkler zu werden, was mich ja auch noch Strafe kosten würde, wenn ich erwischt werde und vor allem, wie soll man aus der Hocke mit einem prallen Babybauch heil wieder hochkommen, wenn man nichts zum Hochziehen in der Nähe hat?“, fragt die Tagesurlauberin.

 

Kurbetrieb befürchtet nächtlichen Vandalismus
Einmal in Fahrt gekommen, legt die Lübeckerin nach: „Wir zahlen alle Steuern beziehungsweise die Touristen Kurabgabe. Wie viele junge Menschen sitzen abends noch gerne am Strand und trinken da ihr Bier oder was auch immer? Das muss ja auch irgendwann wieder raus. Wohin soll man dann gehen, wenn um 22 Uhr schon alle Toiletten zu sind?“ Die Menschen seien gezwungen, in der Öffentlichkeit ihr Geschäft zu verrichten. In einem Beschwerdeschreiben an den Kurbetrieb schilderte Jennifer Drzewiecki ihr Erlebnis. Zufrieden mit der Antwort ist sie nicht. Der Kurbetrieb bittet um Verständnis, dass die Toiletten nicht 24 Stunden täglich geöffnet sein könnten. Zum einen verfüge er nicht über genügend Personal für eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung, zum anderen würden auch die Vandalismusschäden ansteigen, da erfahrungsgemäß in der Nacht mehr Sachbeschädigungen stattfänden als tagsüber. „Man kann doch zumindest eine Toilette öffnen oder auf die Öffnungszeiten hinweisen“, meint die Lübeckerin. Bei ihrem Besuch in Travemünde blieb ihr schließlich nichts anderes übriges, als hinter einen Busch zu gehen. Mithilfe ihres Ehemanns kam sie aus der unbequemen Hocke wieder auf die Beine.
Hinweise auf eine kostenfreie Toilette, sogar in englischer Sprache, finden sich an jedem WC, Angaben zu den Öffnungszeiten jedoch nicht.

Hinweise auf eine kostenfreie Toilette, sogar in englischer Sprache, finden sich an jedem WC, Angaben zu den Öffnungszeiten jedoch nicht.  Quelle: Thomas Krohn

Auch in Lübeck schließen viele Toiletten früh

Mit seinen Öffnungszeiten steht das lübsche Seebad übrigens nicht alleine da. Auch in Niendorf, Timmendorfer Strand und Scharbeutz werden die öffentlichen WCs im Sommer um 22 Uhr geschlossen. Und die Zeiten für die öffentlichen Toiletten im Lübecker Stadtgebiet sind ähnlich denen in Travemünde. Die meisten schließen in den Sommermonaten ebenfalls um 22 Uhr, einige sogar bereits um 18 Uhr. Lediglich das öffentliche WC am Zob ist täglich von 3.30 Uhr bis 0.30 Uhr geöffnet. Das WC am Passathafen auf dem Priwall hat wegen der Sportbootsaison von April bis Oktober 24 Stunden täglich geöffnet. Die Entsorgungsbetriebe Lübeck (EBL) haben zu den öffentlichen Toiletten und der Aktion „Nette Toilette“ einen Flyer herausgebracht.

Hinweisschilder für öffentliche Toiletten gibt es entlang der Strandpromenade überall. Jedoch keine Angaben über die Öffnungszeiten. Quelle: Thomas Krohn

Wildpinkler können bestraft werden
Und was passiert mit sogenannten Wildpinklern, die mangels geöffneter Toiletten – oder auch bei geöffneten WCs – ihre Notdurft im Freien verrichten? Wer sich in der Öffentlichkeit erleichtert, begeht in der Regel eine Ordnungswidrigkeit. Dafür können Kommunen ein Bußgeld festlegen. Öffentliches Urinieren kann auch als Straftat gewertet werden, wenn der Straftatbestand „Erregung öffentlicher Ärgernisse“ vorliegt. Dafür kann sogar eine Freiheitsstrafe verhängt werden.

Wildpinkler aus Travemünde freigesprochen
Weder die eine noch die andere Strafe hielt ein Richter des Amtsgerichts Lübeck in einem Fall aus Travemünde für angemessen. Während der Travemünder Woche 2022 hatte sich ein Mann mit dem Rücken zum Strand am Ufer erleichtert. Dabei wurde er von Mitarbeitern des Lübecker Ordnungsamts beobachtet, die anschließend ein Bußgeld über 60 Euro wegen Belästigung der Allgemeinheit verhängten. Der Fall landete vor dem Amtsgericht Lübeck, und im Oktober 2023 wurde das Urteil rechtskräftig. Der Mann wurde freigesprochen, er musste die Geldbuße nicht zahlen. Die Urteilsbegründung: Das Verhalten des Betroffenen sei nicht geeignet gewesen, das Schamgefühl zu verletzen. Er sei wegen der Dunkelheit allenfalls schemenhaft sichtbar gewesen, und es habe sich beim Ordnungsamt auch niemand gemeldet, der sich belästigt fühlte.
 
Ungewöhnliche Begründung des Gerichts

Eine belästigende Verschmutzung oder Geruchsbeeinträchtigung sei ebenfalls nicht eingetreten, urteilte das Gericht. Der Verdünnungsgrad in der Ostsee wäre selbst im Wiederholungs- oder Nachahmungsfall so hoch, dass diese ausgeschlossen seien. In seiner Urteilbegründung bezeichnet der Amtsrichter das Verhalten des Wildpinklers als „eine geschätzte und letztendlich wohl auch naturrechtlich verankerte menschliche Willensbetätigung.“ Der Mensch habe unter den Weiten des Himmelszelts nicht mindere Rechte als das Reh im Wald, der Hase auf dem Feld oder die Robbe im Spülsaum der Ostsee.

LN