Traditionsunternehmen in Travemünde: Vor 50 Jahren stellte Hatra den Betrieb ein

Straßenwalzen in die ganze Welt verkauft

Nach dem Tod des Firmengründers und ehemaligen Lübecker Senators, nach dem eine Straße in Travemünde benannt ist, übernahm sein Sohn Hans Hagelstein die Firmenleitung und forcierte das Baumaschinengeschäft, vor allem mit dem Bau von Straßenwalzen, die in die ganze Welt verkauft wurden. Aber auch der Schiffbau dominierte viele Jahre in Travemünde und brachte zahlreiche Neubauten auf die Weltmeere. Außer den Seeschiffen gehörten die Hatra-Sportboote zum Fertigungsprogramm des einst umsatzstärksten Unternehmens aus Schleswig-Holstein.

Am Fließband: So wurden in den 1960er Jahren in der Maschinenfabrik Hatra Straßenwalzen gebaut.

Am Fließband: So wurden in den 1960er Jahren in der Maschinenfabrik Hatra Straßenwalzen gebaut.

Betrieb 1973 aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt

Fast 30 Jahre prägten Baumaschinen aus Travemünde das Bild auf Baustellen in der ganzen Welt. Doch 1973 war Schluss in den Produktionshallen am Fischereihafen. Bereits 1969 war das Zweigwerk im saarländischen Dillingen verkauft worden, ein Jahr später wurde die Hydraulikbaggerproduktion veräußert. Die letzte Hatra-Walze verließ das Werk 1972. Der Betrieb konnte nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden. Die Investitionen waren zu hoch, und der Markt für Baumaschinen war damals sehr hart umkämpft. Die Japaner kamen zudem mit Dumpingpreisen nach Europa. Hatra hatte jedoch keinen Konkurs – die Einstellung erfolgte aus rein wirtschaftlicher Sicht.

Neue Details über Hatra in einem Buch

Der Lübecker Ulf Böge (56) ist seit fast 30 Jahren in der Baumaschinenbranche tätig und lange fasziniert von der Geschichte des Unternehmens. 1992, als Student, lernte er den Sohn von Hans Hagelstein kennen, mit dem ihn eine tiefe Freundschaft verbindet. Seit 2007 betreibt er eine Internetseite mit ausführlichen und interessanten Informationen über Hatra. In mühseliger Kleinarbeit hat Ulf Böge jetzt neue Details, nach unzähligen spannenden Begegnungen, Gesprächen mit Zeitzeugen und dem Sammeln von fast verschollenem Material, in einem Buch zusammengestellt, sein bereits siebtes. Etwa, wie sich die Wirtschaft in der Region Lübeck in der Nachkriegszeit entwickelte und aus einer Travemünder Schiffswerft Europas modernste Maschinenfabrik wurde. Und was die Bundeswehr damit zu tun hatte, warum Schweden und Algerien wichtige Märkte für das Unternehmen waren und wie die Menschen dort gearbeitet hatten.

>Der Lübecker Ulf Böge (56) beschreibt in seinem neuen Buch die Geschichte des Travemünder Unternehmens Hatra.

Denkmal als Erinnerung an die Hatra-Werft

Relikte oder Erinnerungsstücke von Hatra sind in Travemünde noch zu sehen, etwa am Baggersand vor der Volksbank. Dort hat das Seebadmuseum die Hatra-Walze TRW 20 von 1962 ausgestellt. Ulf Böge hatte die Maschine damals aus Nordrhein-Westfalen beschafft, Hans Hagelstein finanzierte die Restaurierung. Auf dem Priwall am Kohlenhofkai steht seit Herbst 2022 ein Werk-Denkmal des Lübecker Künstlers Rainer Wiedemann, eine Skulptur, die an die sechs großen ehemaligen Schiffswerften Lübecks erinnert. In den Hallen am Skandinavienkai, in denen einst die Hatra-Maschinen gebaut wurden, hat jetzt die Werft Marina Baltica ihr Domizil. Am anderen Ende, dort, wo seit vier Jahren die Sandskulpturen-Ausstellung stattfindet, war die erste Produktionshalle von Hatra. Das Gebäude ist denkmalgeschützt. Das jetzige Apartmenthaus Dockside war das alte Hatra-Verwaltungsgebäude.

Auf dem Priwall ist eine Skulptur des Lübecker Künstlers Rainer Wiedemann aufgestellt, die an die sechs großen Lübecker Werften, darunter auch Hatra, erinnern soll.

Leistung soll nicht vergessen werden

Bei der Entstehung seines neuen Buchs war Ulf Böge wichtig, dass vor allem die Leistung der Menschen für das Unternehmen nicht in Vergessenheit gerät. „Ihre Ideen, ihr Mut und ihr Wirken sollten gewürdigt werden, denn auch heute noch kann der Blick in die Vergangenheit einen wertvollen Beitrag dazu leisten, unser aktuelles Leben und die Zusammenhänge besser zu verstehen und einzuordnen“, sagt er. Die Chancen, aus der Vergangenheit zu lernen, seien oft größer, als angenommen werde. Das Buch unter dem Titel „Hatra Baumaschinen und Schiffe“ erscheint beim Verlag Podzun unter der ISBN-Nummer 9-783-7516-1076-6.