Travemünde
Die Priwallfähre – eine eigentlich kurze Verbindung zwischen Travemünde und der Halbinsel. Knapp drei Minuten dauert die Überfahrt. Doch wer auf die Fähre warten muss, wird oft auf eine harte Probe gestellt. Denn immer wieder gibt es Ärger wegen langer Wartezeiten. Die LN hatten darüber mehrfach berichtet, zuletzt vor einem Jahr.
Besser ist es seitdem nicht geworden, im Gegenteil. Häufig fährt nur eine Fähre, mit der Folge, dass sich vor den Anlegern lange Staus bilden. Manche Autofahrer nehmen lieber einen langen Umweg in Kauf. Der Stadtverkehr Lübeck nennt einen hohen Krankenstand und eine schwierige Arbeitsmarktsituation als Ursache für die Probleme.
Priwallfähre: Lieber Umweg statt lange Wartezeit
Elke Wienke (76) wohnt in einem kleinen Ort bei Dassow in Mecklenburg. Sie fährt mit dem Auto drei- bis viermal in der Woche zu ihrer Schwester nach Ostholstein, zum Arzt oder zur Bank – bevorzugt auf dem kürzesten Weg mit der Fähre über den Priwall. Deshalb hat sie eine Jahreskarte für das Auto (723 Euro) und eine für eine Person (239 Euro) gekauft. „Ich bekomme dafür aber keine vernünftige Leistung mehr“, klagt sie. Sie habe bereits etliche Termine verpasst, weil es immer wieder lange Staus vor den Fähranlegern gebe. Vor einer Woche etwa habe sie in Travemünde auf der Rückfahrt nach Mecklenburg fast eine Stunde im Stau gestanden, weil nur eine Fähre im Einsatz war. „Erst mit der fünften Fähre kam ich mit.“
Warten auf die Fähre: Elke Wienke aus Mecklenburg nutzt die Priwallfähre drei bis vier Mal wöchentlich. Sie ärgert sich über die oft langen Wartezeiten. Quelle: Thomas Krohn
Es sei schon vorgekommen, dass sie einfach umgedreht habe und über Schlutup nach Hause gefahren sei - ein Umweg von etwa 30 Kilometern. Der Weg über den Priwall wäre von Travemünde nur etwa 13 Kilometer lang gewesen. Die 76-Jährige wollte sich telefonisch beschweren, sei aber nicht durchgestellt worden. „Beim Stadtverkehr hat man mir gesagt, sie dürften keine Telefonnummern rausgeben.“ Verärgert ist Elke Wienke auch über die Erhöhung der Fährpreise ab 2022. „Für diese kurze Strecke sind die viel zu hoch.“
„Es ist leider nur noch schlimmer geworden“
Auch andere Nutzer der Priwallfähre ärgern sich. Eine Rentnerin aus Timmendorfer Strand, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, sagt: „Wenn ich nach Mecklenburg fahren will, nehme ich fast nur noch den Weg über Lübeck.“ Die Wartezeiten an der Fähre hätten sich extrem verschlimmert, seitdem noch mehr Menschen auf den Priwall gekommen seien. Für eine einfache Überfahrt mit dem Auto und einer Person müsse sie 5,70 Euro bezahlen.
Priwallbewohner Jörn Paulsen (70): „Es ist nicht besser geworden, leider nur noch schlimmer.“ Quelle: Thomas Krohn
Priwallbewohner Jörn Paulsen, der in den LN bereits im September 2020 seinen Unmut über die Situation an den Fähren äußerte, sagt ein Jahr danach: „Es ist nicht besser geworden, leider nur noch schlimmer.“ Der 70-Jährige, der oft mehrmals täglich die Fähre nutzt, hat eine Monatskarte. 60,25 Euro werden dafür jeden Monat von seinem Konto abgebucht. „Ich habe schon 40 Minuten und länger im Stau gestanden.“ Manchmal verliere er die Geduld und fahre von Travemünde über Lübeck und Mecklenburg zurück auf den Priwall, um nicht endlos warten zu müssen.
Oft nur eine Autofähre im Einsatz
Zum Ärger über lange Wartezeiten kommt das Unverständnis darüber, dass oft nur eine Autofähre im Einsatz ist – nicht selten auch zu Spitzenzeiten. Mitunter gibt es technische Probleme an einem Fähranleger, der deshalb nicht genutzt werden kann. Dann müssen, falls genug Personal da ist, beide Fähren kreuzen, was normalerweise kein großes Problem ist. Allerdings fährt auch schon einmal nur eine Fähre, weil Mitarbeiter einen defekten Fahrkartenautomaten reparieren müssen, wie von Urlaubern erstaunt registriert. Oder weil es schlicht an Personal fehlt, um den Betrieb beider Autofähren aufrecht zu erhalten.
Besonders in den Sommermonaten war es auf der Autofähre voll. In der Folge gab es Staus an beiden Fähranlegern.Quelle: Thomas Krohn
Stadtverkehr beklagt hohen Krankenstand
Der Stadtverkehr nennt einen zurzeit überproportionalen hohen Krankenstand als Grund dafür, dass häufig nur eine Autofähre im Einsatz ist. „Insbesondere kurzfristige, nicht planbare Ausfälle können häufig nicht aufgefangen werden“, sagt Sprecherin Ruth Wienecke. Zudem sei die Arbeitsmarktsituation für die Anwerbung von Personal für den Fährbetrieb insgesamt schwierig. Es herrsche Fachkräftemangel. Neben dem Schalten von Anzeigen in Online- und Printmedien werde die Weiterentwicklung von vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betrieben. Eine Ausbildung zum Fährführer dauere drei Jahre.
Zwei externe zusätzliche Mitarbeiter
Der Stadtverkehr habe auf die aktuell hohen Krankenquoten reagiert und zwei Mitarbeiter eines externen Dienstleisters zur Unterstützung beim Kassieren und Kontrollieren eingesetzt, die überwiegend an der Norderfähre ihren Dienst versehen. Zudem werde laufend in die Infrastruktur investiert, um die betrieblichen Abläufe an der Fähre zu verbessern, sagt Wienecke. Eine Entspannung erhoffe sich der Stadtverkehr, wenn die neue Hybridfähre voraussichtlich 2023 in Betrieb genommen wird. „Voraussetzung für den Einsatz einer dritten Autofähre ist, dass wir über ausreichend Personal verfügen.“