Hilferuf beim Open Ship

„Ein Traditionssegler hat um Hilfe gerufen“, erzählt Vormann Patrick Morgenroth. „Der hatte Maschinenausfall und trieb Richtung Strand.“ Die Travemünder Seenotretter nahmen den Segel-Oldtimer mit ihrer 380 PS starken „Erich Koschubs“ an den Haken. So ging es die Trave hinauf, zum Drehen in die Siechenbucht und dann an den Ostpreußenkai.

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Der Traditionssegler mit Maschinenproblemen wurde an den Ostpreußenkai gebracht. Nachdem dann auch der Papierkram erledigt war, ging es weiter zum „Open Ship“ auf der anderen Seite der Trave.

Der Traditionssegler mit Maschinenproblemen wurde an den Ostpreußenkai gebracht. Nachdem dann auch der Papierkram erledigt war, ging es weiter zum „Open Ship“ auf der anderen Seite der Trave.

Die Besucher, die auf das „Open Ship“ warteten, bekamen das Rettungsboot vom Priwallhafen aus immerhin kurz zu sehen, auch wenn es nicht beidrehte. Natürlich wussten alle Bescheid, denn schon in der Ankündigung der Veranstaltung steht, dass bei kurzfristigen Einsätzen erstmal kein „Open Ship“ sein kann.

Begleitet wurde der Einsatz noch von einem anderen Gast: Ein Delfin, der seit einigen Tagen in der Trave auf Heringsfang ist, mag offenbar die Seenotretter. „Er ist die ganze Zeit mitgeschwommen bei dem Einsatz“, erzählt Vormann Patrick Morgenroth. „Also wenn die Leute da fotografieren, die meinen nicht uns, die meinen den Delfin“, scherzt er.

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Gut anderthalb Stunden später als erwartet lief die „Erich Koschubs“ im Priwallhafen an der Ferienanlage „Beach Bay“ ein.

Mit gut anderthalb Stunden Verspätung lief die „Erich Koschubs“ dann doch noch im Priwallhafen ein. Und statt Schiffbrüchigen half die Crew nun maritim interessierten Touristen an Bord. Das „Open Ship“ ist eine Gelegenheit, über die wichtige Arbeit der Seenotretter zu informieren und Spenden zu sammeln.

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Die Crew der „Erich Koschubs“ machte direkt an der Priwallpromenade fest.
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Die ersten Gäste für das „Open Ship“ waren schnell zur Stelle.

Schon 15 Einsätze in 2023
Die 30köpfige Crew der „Erich Koschubs“ hat in diesem Jahr bereits 15 Einsätze gefahren, was viel ist. Mehreren Kitesurfern wurde geholfen, es gab technische Hilfeleistungen für Skipper und auch zwei oder drei größere Seefahrzeuge waren dabei wie jetzt am Samstag der Traditionssegler.

Herzinfarkt, Feuer, Explosionen
„Generell waren die letzten zwei Jahre wirklich intensiv bei uns“, erzählt Vormann Morgenroth. „Da hatten wir einen Einsatzschnitt von über 80 im Jahr.“ Ob Herzinfarkt, Feuer, Explosionen, alles war dabei. Das „normale“ Einschleppen von früher sei dagegen eher seltener geworden. „Ich hab das Gefühl wir haben jetzt mehr medizinische Sachen und mehr wirklich akute Einsätze. Zum Beispiel dass jemand Wassereinbruch hat oder die Schiffe wirklich sinken, Person im Wasser sind“, sagt der Vormann. „Wir haben kein Normal mehr.“

Mann über Bord
Ein Beispiel für einen medizinischen Einsatz gab es in diesem Jahr: Auf dem Hanseschiff „Lisa von Lübeck“, das zum Saisonstart in der Lübecker Bucht auf Übungsfahrt war, hieß es „Mann über Bord.“ Und das bei vier bis fünf Grad Wassertemperatur. „So wie ich das verstanden habe, ist er beim Einholen vom Beiboot außenbords gegangen“, sagt Patrick Morgenroth. Die Mannschaft konnte den Verunglückten selbst wieder an Bord holen. Und die zu Hilfe gerufene „Erich Koschubs“ brachte einen Notarzt nach. So konnte der Mann direkt vor Ort versorgt werden.

Irrtum löst Großeinsatz aus
Von einem weiteren Schiffsunfall Anfang April haben sehr viele Travemünder etwas mitbekommen, denn auf einmal strömten mehr als zwanzig Einsatzfahrzeuge ins Seebad. Ursache war ein Missverständnis: An der Südermole lag ein keines Sportsegelboot mit Mastbruch; fast schon in der Brandung. Mehrere Spaziergänger meldeten daraufhin, dass Menschen im Wasser wären. Tatsächlich hatten die Sportskipper aber nur versucht, ihre Takelage aus dem Wasser zu holen. „Das sah aus, als ob die im Wasser wären“, erzählt Patrick Morgenroth. Da einige Augenzeugen zuvor in Mecklenburg spazieren waren, landeten sie mit ihrem Anruf in der Schweriner Leitstelle. Andere meldeten in Lübeck, dass mehrere Personen über Bord wären. So mussten die Einsatzkräfte von zahlreichen Notfällen ausgehen und die Feuerwehren machten sich auf dem Weg, obwohl am Ende nur das Boot abzuschleppen war.

Viele Verletzte auf der „Travemünder Woche“
Während der Segelgroßveranstaltung „Travemünder Woche“ (21. bis 30. Juli 2023) sind die Seenotretter - wie das ganze Jahr über - auf ihrem Posten. Und helfen natürlich auch den internationalen Sportlern aus der Not: „Da hast du wirklich viele Verletzte“, erzählt Vormann Patrick Morgenroth. „Sobald das Wetter etwas rauer wird, da kriegen die einen Mast gegen den Kopf, verdrehen sich das Knie, Kugeln sich die Schulter aus“, zählt er auf. Die Seenotretter gehen die Einsatzlage dabei seit letztem Jahr noch intensiver koordiniert mit anderen Einsatzkräften wie dem Technischen Hilfswerk (THW) und der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) an. „Das war sehr gut“, lobt der Vormann die Zusammenarbeit des Vorjahrs.

Das Hobby zum Beruf gemacht
Vormann in Travemünde ist seit zwei Jahren der gelernte Kapitän Patrick Morgenroth, der inzwischen hauptberuflich Ausbilder bei den Seenotrettern ist. „Ich hatte die Chance, mein Hobby zum Beruf zu machen“, erzählt er. Für die Ausbildung der Freiwilligen nutzen die Seenotretter die Anlagen der Marine und Bundespolizei in Neustadt im Kreis Ostholstein. Die Travemünder Crew ist inzwischen auf 30 Männer und Frauen angewachsen. Freiwillige sollten vor Ort wohnen, damit sie schnell zum Einsatz können. „Die Leute sollten möglichst mit dem Fahrrad kommen können“, umschreibt es Patrick Morgenroth.

Neues Rettungsboot hat sich bewährt
Seit Ende des Jahres 2020 ist das Seenotrettungsboot „Erich Koschubs“ mit der Travemünder Freiwilligenbesatzung im Einsatz. Der Neubau löste die „Hans Ingwersen“ ab, die zwanzig Jahre in Travemünde stationiert war. Zwanzig Jahre, in denen sich viel im Schiffsbau getan hat. Das sei schon ein „Quantensprung in der Entwicklung“, meint Vormann Patrick Morgenroth. „Es ist schneller, robuster, stärker, viel leiser, ökonomischer“, zählt er die Vorteile des neuen Bootes auf. „Das ist wirklich ein super Schiff. Ich würde das gegen nichts in der Welt tauschen wollen“.

Die alte „Hans Ingwersen“ kommt aber nicht wie ihr Vorgänger „Paul Denker“ ins Museum, sondern bleibt als Springer im Einsatz. Immer dort, wo ein Schiff turnusmäßig in die Werft muss. So war die Ingwersen im Dezember für kurze Zeit auch wieder in Travemünde zu sehen.

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Sehr zufrieden mit ihrem Boot: Bootsführer Christopher Klein (links) und Vormann Patrick Morgenroth.

Das nächste Mal „Open Ship“
„Open Ship“ und Infos über die Seenotretter wird es in Travemünde das nächste Mal zum „Tag der Seenotretter“ geben. Aufgrund der Großveranstaltung „Travemünder Woche“ findet die Veranstaltung im Lübecker Seebad später statt als in anderen Küstenorten. Nämlich erst am 26. August 2023 im Fischereihafen.

Klein, aber kräftig: Bevor sie zum „Open Ship“ auf den Priwall konnte, nahm die „Erich Koschubs“ erstmal einen havarierten Traditionssegler auf den Haken. Fotos: Helge Normann(5)/Karl Erhard Vögele(2)

Klein, aber kräftig: Bevor sie zum „Open Ship“ auf den Priwall konnte, nahm die „Erich Koschubs“ erstmal einen havarierten Traditionssegler auf den Haken. Fotos: Helge Normann(5)/Karl Erhard Vögele(2)


Text-Nummer: 158468   Autor: Helge Normann   vom 07.05.2023 um 10.00 Uhr